> Aktuelles > Aktuelles

Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes

Kommunen können nicht Ausfallbürgen im ländlichen Raum sein!

24 NSG-Präsident Dr. Marco Trip

Dr. Marco Trip, Präsident Niedersächsischer Städte- und Gemeinde Bund. (Foto: gnonline.de)


Rede von Präsident Dr. Marco Trips zur Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes am 29. August 2024 in Oldenburg

Zu sagen, dass die staatliche Leistungsfähigkeit Niedersachsens an einem seidenen Faden hinge, wäre sicherlich übertrieben. Aber nehmen wir an, sie hinge an einem Seil. Oben ist es festgemacht am Gebälk unseres Staatsgebäudes, am unteren Ende sind die Wünsche und Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger befestigt. Es gibt ein zweites Seil, das die die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger mitträgt, nämlich ihre Eigenverantwortung. Im besten Falle tragen die beiden Seile alle diese Leistungen und Wohlstandserwartungen und halten sie auf einem guten Niveau.

Nun aber wirkt die große Politik in Bund und Land.

Das Verschwinden der Eigenverantwortlichkeit

Dort wird viel versprochen. Es gibt Beitragsfreiheit im Kindergarten. Es gibt Rechtsanspruch auf Ganztag im Grundschulalter. Es gibt Wohngelderhöhungen. Es gibt Bürgergeldausweitungen. Es gibt einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen. Es gibt das günstige Deutschlandticket. Es soll geben Gesundheitskioske. Es soll geben Kindergrundsicherung. Stellplatzverpflichtungen werden abgeschafft. Ein Bürgerrat empfiehlt kostenloses Mittagessen. Und so weiter und so weiter. Die Bundespolitik ist vermeintlich nur dann gut, wenn sie neue Ansprüche und Leistungen erfindet und dem Bürger möglichst viel abnimmt.

Dadurch verschwindet das Seil der Eigenverantwortung mehr und mehr, der Block der Wünsche und Erwartungen hingegen wird gleichzeitig schwerer und schwerer. Die große Politik in Bund und Land suggeriert damit, dass das staatliche Seil eine unbegrenzte Tragkraft hat. Das Gegenteil ist der Fall.

1. Kommunalfeindliches Verhalten des Bundes

Schauen wir uns das staatliche Seil genauer an. Es ist geflochten aus drei Stricken, die Stricke des Seils sind die staatlichen Ebenen Bund, Land und Kommune. Der Strick des Bundes im gemeinsamen Seil ist aus kommunaler Sicht gerissen. Nach der bewussten Umgehung des Konnexitätsprinzips beim Ganztagsausbau, nachzulesen in Bundesratsprotokollen, und dem Hinterherlaufenlassen der Länder und Kommunen nach Unterbringungskosten im Bereich der Zuwanderung von MPK zu MPK sowie der ‚Superperformance‘ und hyperaktiven Gesetzgebung in der Energiewende ist nun der nächste Super-GAU eingetreten:

Krankenhausfinanzierung

Minister Lauterbach wälzt die gigantisch gestiegenen Krankenhauskosten auf die Kommu-
nen ab. Über 600 Millionen Euro tragen Niedersachsens Kommunen seit 2023 aufgaben-
fremd im Durchschnitt pro Jahr zur Stützung der Krankenhäuser bei, weil Minister Lauter-
bach sich weigert, diese Kosten im Gesundheitssystem zu finanzieren. Die Notwendigkeit
einer Krankenhausreform steht außer Frage, aber so treibt der Minister und die ihn tra-
gende Bundesregierung entgegen anderslautenden Versprechungen die Kommunen in
den Ruin. Die gesamte Kreisebene ist für 2025 im Defizit. Noch finden sich die Kosten nur
in den Kreishaushalten wieder, die aber als einzige Refinanzierung die Kreisumlage haben.
Diese Art von Politik, die Kommunen als Ausfallbürgen für verweigerte eigene Entschei-
dungen zu verhaften, ist eine unredliche, ist eine kommunalfeindliche Politik.
Zuwanderung

Auch in der Zuwanderung verharren wir auf hohem Niveau. Dieses Thema wird von der
Bundesregierung in seiner Bedeutung völlig falsch eingeschätzt. Nur der Bund kann hier
einwirken und steuern. Die Kommunen und Länder werden bei der Unterbringung und In-
tegration alleingelassen.

In Bewerbungsgesprächen fragen wir Bewerberinnen nach den drei wichtigsten Themen
für die Kommunen. Zuwanderung und Integration sind immer dabei. Bei der Bundesregie-
rung sieht das offensichtlich anders aus, anders kann ich mir die Lethargie im Umgang
nicht erklären.

Immerhin werden nach einigem Hin- und Her jetzt die Grenzkontrollen fortgeführt, was
zum Ergebnis hat, dass nur 80% der Zahlen des Vorjahres erreicht werden. Der Rest der

Ankündigungen, beispielsweise zu Abschiebungen, ist reiner Theaterdonner, es passiert
nichts. Die Integrationskurse werden um 500 Millionen gekürzt, anstatt eine Integrati-
onsoffensive zu starten. Nach offiziellen Zahlen arbeiten in Niedersachsen 25% der Ukra-
iner, in anderen Staaten wie Dänemark sind es bis zu 75%. Wir zahlen stattdessen Bürger-
geld. Der Job-Turbo zündet nicht und ist wie der ‚Doppelwumms‘ eine bundestypische
Wortblase, um die Medien zu täuschen. Wir verpassen die Integration von Menschen, die
wir brauchen, in den Arbeitsmarkt. Ich glaube nicht, dass man Zuwanderung in einer der-
artigen Schlafwandelpolitik noch lange weiterbetreiben kann und führe die Umfrageergeb-
nisse zu Landtagswahlen und zur nächsten Bundestagswahl zu einem wesentlichen Teil
auf diesen Faktor zurück.

Wir bräuchten im Gegenteil die Integrationsoffensive!

ÖPNV

Der ÖPNV im ländlichen Raum ist weniger gut ausgebaut, oft fährt nur der Schulbus hin
und zurück. Das Deutschlandticket ist daher nur begrenzt nutzbar. Noch nicht einmal
seine Ausfinanzierung ist gesichert – die Preiskonstruktion zerschießt aber die bisherigen
höheren Tarife der Nahverkehrsunternehmen. Diese Einnahmeausfälle treffen auf aktuell
hohe Kosten durch vorgeschriebenen Flottenumbau, immense Energie- und Personalkos-
tensteigerungen. Zusammen mit dem Arbeitskräftemangel führt dies derzeit eher zum Ab-
bau und zu Einschränkungen von Verbindungen als zu einer neuen Mobilität. Insofern sehe
ich an Bund und Land gerichtet die Lösung dieser Probleme als Aufgabe, das Erarbeiten
von vagen und unbezahlbaren Ideen einer Mobilität 2040 nicht.
Wärmeversorgung

Mit der vom Bund vorgegebenen kommunalen Wärmeplanung suggeriert der Bund, dass
die Kommunen eine Aufgabe in der Wärmeversorgung hätten. Jedoch überfordert dies un-
sere Leistungsfähigkeit. Bürgerinnen und Bürger sehen indes die Planung und fragen in den
Gemeinden, wie denn nun die Versorgung der Zukunft aussieht. Wenn 2045 das Gasnetz
abgedreht oder vorher wegen Unauskömmlichkeit abgestoßen wird, was wird dann aus
den ländlichen Räumen, in denen aufgrund der Bauweise keine regenerativen Energien ge-
nutzt werden können und die keine Nahwärmenetze erhalten? Wie wird überhaupt der gi-
gantische Investitionsbedarf der Energiewende von dreistelligen Milliardenbeträgen pro
Jahr aufgebracht? Hier ist ein erheblicher Unsicherheitsfaktor in die Welt gebracht worden
– die Kommunen haben auch keine Antworten. Sie bekommen aber auch keine vom Land
oder Bund.

Wirtschaft

Die Wirtschaft ist in einer Rezession oder zumindest Stagnation. Der deutsche Wachs-
tumsmotor kommt nicht in Gang. Um 0,3% ging die Wirtschaftsleistung im vergangenen
Jahr zurück, und auch dieses Jahr sieht es trübe aus. Gerade einmal 0,5% Wachstum traut
der Internationale Währungsfonds (IWF) Europas größter Wirtschaft in diesem Jahr zu –
das ist der letzte Platz unter den Industrienationen. Man liest von Deindustriealisation und
Firmenabwanderungen.

"Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt", urteilt das ifo-Institut. Anders als erwartet, be-
findet sich die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr 2023/24 in einer Rezession. Das
preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr nur um 0,2% im Vergleich
zum Vorjahr zunehmen.

Für 2025 rechnet das ifo nun mit einem Plus von 1,5%. Damit hinkt Deutschland weiter
den europäischen Nachbarn hinterher. Nicht nur ist dort die Stimmung besser und die Un-
sicherheit niedriger; auch deuten die entsprechenden Indikatoren bereits seit Herbst 2023
auf eine allmähliche Erholung hin. (https://www.morningstar.de/de/news/245977/wann-
ist-in-deutschland-die-rezession-zu-ende.aspx )

Bürokratie

Wir sind uns alle einig, dass die Bürokratie unser Land lähmt. Diese Erkenntnis wird von
Wirtschaft und Kommunen gebetsmühlenartig vorgetragen. Sie ist nach jahrelangem Vor-
trag auch bei uns – Sie erinnern sich vielleicht an den Kartonturm vor zwei Jahren in Wals-
rode – nun zumindest beim Land angekommen. 114 Förderprogramme für die Kommunen
wurden untersucht, ob sie nicht in pauschale Zuwendungen umgewandelt werden könn-
ten. Null konnten es. Die Begründung waren zu starre Vorgaben von Bund und EU. Immer-
hin wird erwogen, ein Kommunalfördergesetz für zukünftige Pauschalzahlungen zu erlas-
sen und alle Förderprogramme an einer Stelle digital zusammenzuführen. Herr Marek, hier
kann ich Sie nur ermutigen, den Weg weiterzugehen! Herr Wunderling-Weilbier, mit unse-
rer Projektmanufaktur in Leine-Weser haben wir den Kern dafür gesetzt, den es nun aus-
zubauen gilt!

Deutschland verliert bis 2035 sieben Millionen Fachkräfte, weil die Babyboomer in Rente
gehen und geburtenschwache Jahrgänge folgen. Es wird schlicht niemanden mehr geben,
der diese Bürokratie erfüllen kann. Wir brauchen weniger Prüfer, Bewilliger und Antragsbearbeiter. Wir brauchen mehr Menschen, die etwas produzieren, die etwas vo-
ranbringen und die etwas machen!

Dazu brauchen wir Vertrauen. Vertrauen in die Wirtschaft und Vertrauen in die kommunale
Selbstverwaltung, die mit den von anderen erwirtschafteten Steuergeldern ein soziales,
sicheres und freies Gemeinwesen schafft.

Wenn der Bund das nicht lernt, und stattdessen an kleinteiligen und misstrauenden Ver-
waltungsvereinbarungen mit den Ländern festhält, die bis auf die Schreibtische in den Rat-
häusern und die KiTa-Plätze in den Gemeinden hineinregieren, dann werden wir im Vor-
schriftendschungel umkommen und in Stagnation und Rezession untergehen.
Weg mit der Bürokratie, weg mit dem Misstrauen des Bundes!

2. Das Land versteht langsam, will sich aber selbst retten

Schauen wir auf den zweiten Strick in unserem staatlichen Seil. Der Strick des Landes
wird durch den Ausfall des Bundes stark gedehnt, einige Fasern halten, doch einige sind
schon gerissen.

Das Land ist näher an den Kommunen dran
Grundsätzlich schaut das Land auf die Lage der Kommunen und hilft in vielen Feldern.
Die Kosten für den Hochwassereinsatz am Jahresbeginn wurden ersetzt, die Zusammen-
arbeit war vorbildlich.

Endlich hat das Land die Medizinstudienplätze in Oldenburg auf 200 erhöht. Damit gelan-
gen mehr Studierende in die Ausbildung und es wird am Ende mehr Ärztinnen und Ärzte
geben. Dazu kommt die Landarztquote, kein Allheilmittel, aber ein Baustein.
Durch eine Wertschöpfungsabgabe des Landes (die der Bund verweigert hat) werden
Kommunen am Gewinn von erneuerbaren Energien beteiligt. So kommt allen im Ort etwas
zugute und Belastungen können leichter getragen werden.

Im Bereich der Ferienbetreuung beim Ganztag gibt es jetzt immerhin eine Bundesratsiniti-
ative zur Anerkennung von Aktivitäten der freien Jugendhilfe (die der Bund bisher verwei-
gert) – das wäre ein pragmatischer Ansatz vor allem auch in den ländlichen Räumen.
Zwar wird das Vergaberecht nicht insgesamt entschlackt, aber die Wertgrenzen sollen an-
gehoben werden. Ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten wurde wieder auf 8 Jahre zurückgesetzt.
Dies sorgt für Kontinuität in schwierigen Zeiten und für Attraktivität des Amtes.
Das sind alles richtige Entscheidungen, die im Sinne der Kommunen sind und über die wir
uns freuen und für die wir Danke sagen!

Bei den großen finanziellen Themen ist es sich jedoch selbst näher
Es gibt jedoch ein großes ABER.

Es gibt derzeit viele Aufgabenfelder, in denen das Land durch eigene oder mitgetragene
Entscheidungen des Bundes erhebliche Kostenaufwüchse im kommunalen Bereich ver-
ursacht hat.

In Bereich KiTa, wo durch Beitragsfreiheit die aus dem System genommenen Beträge nicht
ausreichend kompensiert wurden, explodieren durch steigende Personalkosten die kom-
munalen Haushalte.

Im Bereich der Ganztagsschule fehlt mehr als die Hälfte der Investitionskosten, im Betrieb
finanzieren wir seit Jahren pädagogische Arbeit mit – wir sind gespannt, ob sich dies nun
ändert.

Konnexität oder Kostenaufwüchse im System müssen stets erkämpft werden, so bei der
Eingliederungshilfe, beim Wohngeld und beim Wegfall der Stellplatzpflicht.
Auch das Spiel von Karl Lauterbach wird letztlich mitgespielt, indem im Bundesrat entge-
gen dem sonst bekundeten Kampfeswillen dann doch zugestimmt wird.
Im kommunalen Finanzausgleich wird in offiziellen Reden suggeriert, dass die aktuelle Un-
tersuchung auch zu einer höheren Gesamtsumme führen könnte, auf Arbeitsebene wir
dies jedoch strikt verweigert. Niedersachsen hat im Ländervergleich den niedrigsten Fi-
nanzausgleich. Hier muss sich am Gesamtaufkommen etwas tun und nicht nur im hori-
zontalen Vergleich Kreisebene und Gemeindeebene gegeneinander ausgespielt werden.
Eine Bereitschaft des Landes, diese Kostenaufwüchse zu finanzieren, kann ich an all die-
sen Stellen derzeit nicht erkennen. Die Fachministerien sind oft guten Willens, scheitern
aber entweder an Vorgaben des Bundes oder am Finanzminister.

Finanzminister Gerald Heere ist in Niedersachsen wenig zu sehen, und noch weniger sieht
man sein Geld. Die Möglichkeit zu Kostenerstattungen an die Kommunen wäre zumindest
jetzt noch vorhanden, Finanzminister Heere überweist sich 2025 aber lieber 1,5 Milliarden in die eigene Rücklage, als vom Land verursachte Kommunale Aufwände zu erstatten. Er
tut dies, weil alle wissen, dass die nächsten Jahre wirtschaftlich wenig Spielräume für
Steuereinnahmen erwarten lassen – wir sprechen eben im Bereich der Wirtschaft dar-
über. Außerdem gilt bei Bund und Land die Schuldenbremse, bei den Kommunen eben
nicht. So lassen Bund und Land die Kommunen am langen Arm verhungern, um in den
Wahljahren neue Versprechen machen zu können. Wenn ich dann gesagt bekomme, dass
das Land sich auch unterstützend bei der Kommunalaufsicht für die Möglichkeit von Kre-
diten einsetzen wird, steigt mein Blutdruck. Wir sind dann in fünf Jahren wieder da, wo wir
2010 mit dem Zukunftsvertrag gestartet sind. Hubert Meyer vom Landkreistag, du hast da-
für den Begriff der kommunalen Schuldentoilette für Bund und Land genannt – nichts an-
deres ist es. Es ist leicht, auf anderer Leute Kosten Politik zu machen.

Also, der Strick des Landes im gemeinsamen Seil schon brüchig und arg gedehnt.

3. Das kommunale Seil wird immer halten

Und der kommunale Strick?

Er hält und wird halten und wird in Ewigkeit halten. Weil die Menschen vor Ort füreinander
da sind. Weil die kommunale Selbstverwaltung die Basis unseres Zusammenlebens ist.
Weil wir improvisieren können und flexibel sind, wenn es darauf ankommt!
Weil wir dafür arbeiten, weil wir es können, weil wir es leben!

Weil in unseren Städten, Gemeinden und Samtgemeinden viele Menschen haupt- und vor
allem auch ehrenamtlich ihre Zeit opfern, das Leben vor Ort besser zu machen!

Ohne das Ehrenamt wären wir in unseren Städten, Gemeinden und Samtgemeinden auf-
geschmissen, das wissen wir alle. Insofern bei steigenden Anforderungen und rauer wer-
dendem Umgang ein riesengroßes Dankeschön an alle ehrenamtlich Tätigen, von unseren
Ratsmitgliedern, Bürgermeisterinnen, Feuerwehrkameradinnen, in den Sport- und Wohl-
fahrtsvereinen und an vielen, vielen anderen Stellen!

Aber der kommunale Strick kann allein das Niveau nicht tragen. Der Block, der unten dran-
hängt, der mit den Leistungsversprechen, wird absinken. Die Ansprüche und Erwartungen
werden dann nicht mehr so erfüllt werden können wie bisher oder wie versprochen. Und
dabei lasse ich die Rente und die Pflege hier noch außen vor. Im Zusammenspiel von In-
vestitionsbedarfen, der derzeitigen Wirtschaftslage und den auszurechnenden Personal-
abgängen ist dies zumindest nach derzeitiger Sicht absehbar.
8
Aber wir Städte, Gemeinden und Samtgemeinden werden nicht zusammenbrechen, denn
wir sind biegsam, wenn man uns lässt.

Dann müssen eben andere geeignete Personen in KiTa und Ganztag mitunterstützen.
Dann gibt es mehr Betreuung und weniger Bildung.
Dann müssen wir weiter und länger zu Ärzten und Krankenhäusern fahren.
Vielleicht wird dann das Seil der Eigenverantwortlichkeit wieder festgemacht werden
müssen.

Und hier sind wir an dem Punkt:

Der Ausfallbürge für das Unterlassen von Entscheidungen und Finanzierungen sowie von
ehrlicher Kommunikation sind wir. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Rats-
mitglieder und anderen ehrenamtlichen in Vereinen, Feuerwehr und anderswo werden er-
klären müssen, was geht und was nicht mehr geht. Die Menschen stehen nicht vor dem
Bundestag in Berlin und nicht vor dem Landtag in Hannover – sie kommen ins Rathaus.
Und sie fragen uns, warum wir die Grundsteuer erhöhen.

Unsere Antwort lautet: Fragen Sie Olaf Scholz, Karl Lauterbach, Stephan Weil und Gerald
Heere!

Leider sind sie nicht so direkt erreichbar.

Wenn sie stattdessen all dies in der großen Politik vor allem im Bund ehrlich erklären wür-
den, würde man Verständnis und Mitstreiter finden, die Lage zu verbessern. Man würde
wieder glaubwürdig. Wenn man es nicht tut, und sich stattdessen jeden Tag öffentlich
streitet, bekommt man die Umfragewerte der Ampel, die Sie kennen, und zum Beispiel
dies hier von Forsa 2024:

In wen haben Sie großes Vertrauen?

Ärzte, Polizei, na klar: 80%

Bürgermeister und Rat und Verwaltung schon nur noch 45%.
Bundestag 32%.

Kanzler und Bundesregierung 20% (-13).

. Die Ländlichen Räume sind das Rückgrat unseres Landes

Viele der von mir benannten Themen spielen eine besondere Rolle in den ländlichen Räu-
men. Ländliche Räume und Städte können in Niedersachsen nur gemeinsam und nicht
gegeneinander existieren und gedeihen. Dennoch ist derzeit ein Ungleichgewicht zulasten
der ländlichen Räume wahrzunehmen: So tragen beispielsweise die ländlichen Räume
mit Anlagen- und Leitungsbau die Hauptlasten der Energiewende, können aber am 49
Euro-Ticket mangels ÖPNV-Vernetzung nur bedingt profitieren. Die Fläche leidet unter
Hausärztemangel und Krankenhaussterben, wird aber bei der Verteilung von Finanzmit-
teln – z.B. für Schulsozialarbeit, im kommunalen Finanzausgleich - weniger unterstützt.
Das vom NSGB entwickelte Positionspapier will solche Missverhältnisse und Handlungs-
notwendigkeiten im kommunalen Bereich aufzeigen. Viele Bereiche habe ich angespro-
chen, einige werden wir gleich im Folgenden vertiefen können.

Das aktuelle Werben von Bundesbauministerin Geywitz für ein Leben und Arbeiten auf
dem Land zur Behebung der Wohnungsnot in den Großstädten unter Hinweis auf die
Chancen der Digitalisierung und die Möglichkeiten des Homeoffice greift jedenfalls viel zu
kurz. Erforderlich ist eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Gleichwertigkeit der Le-
bensverhältnisse in den ländlichen Räumen herzustellen.

Als Land der Vielfalt an Regionen mit unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen
zeigt sich Niedersachsen heutzutage mit einer Vielzahl an ländlichen Räumen mit unter-
schiedlichen Lebensbedingungen, wirtschaftlichen Stärken und Schwächen. Mehr denn
je ist es daher Aufgabe von Bund, Land und Kommunen, auf gleichwertige Lebensverhält-
nisse hinzuwirken, damit die ländlichen Lebensräume lebenswert bleiben.

Dabei hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie vielen Menschen vor Augen geführt, wel-
chen Wert die ländlichen Räume als Lebensmittelpunkt haben können. Nach Umfragen
wollen 61% der Deutschen im Dorf, auf dem Land oder in einer Kleinstadt leben. Die meis-
ten denken dabei an Erholung und Freizeit, für viele Menschen müssen die ländlichen
Räume aber auch für den Alltag und die Arbeit lebenswert bleiben, was hohe Anforderun-
gen an die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge stellt.

Daher gilt es, dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel und einer sich ver-
schärfenden gesellschaftlichen Spaltung gerade auf dem Land entgegenzuwirken und
eine wirtschaftliche Weiterentwicklung zu fördern.

In unserem Positionspapier, das Sie über den ausliegenden QR-Code abrufen können, ha-
ben wir unsere Forderungen zur Weiterentwicklung der ländlichen Räume aufgeführt.

Daran werden wir weiterarbeiten.
Alle wir gemeinsam sind der ländliche Raum!
Alle wir gemeinsam sind die kommunale Selbstverwaltung!
Alle wir gemeinsam sind die örtliche Gemeinschaft, sind die Menschen vor Ort, um die es
geht!

Und wir werden unsere ganze Arbeitskraft dort hineingeben, im Verband, in den Verwal-
tungen und in den Räten, um das zu erreichen, was die Kommunalverfassung in §1 uns
vorgibt:

Das Beste für unsere Bürgerinnen und Bürger, das Beste für unsere Einwohnerinnen und
Einwohner!

Meine Damen und Herren, das sind wir - auch in schwierigen Zeiten.